Folter und Gefängnisse zur Zeit der Hexenprozesse

Folter und Gefängnisse zur Zeit der Hexenprozesse

Besonders in der Zeit der Hexenprozesse (1550 - 1782) wurde Folter im "peinlichen Verhör" exzessiv angewendet, um von den Angeklagten ein Geständnis zu erwirken. Aufgrund der Peinlichen Halsgerichtsordnung von 1532 unter Kaiser Karl V. wurde sie in der so genanntem Constitutio Criminalis Carolina von Karl V. Bestandteil der Hexenprozesse.

Die Angeklagten wurden inhaftiert und oft monatelang ohne Prozess gefangen gehalten. Oft waren die Verliese kalte feuchte Räume, z.B. in Türmen der Stadtmauer. Nach der Verhaftung erfolgte ein "gütliches" Verhör, aber meistens leugneten die Angeklagten die Vorwürfe der Hexerei. Dann folgte die Territion (dt. Schreckung), das Zeigen der Folterwerkzeuge und eine furchterregende Erklärung ihrer Anwendung. Nach der ersten oder mehrfachen Folter (der "scharfen Frage") legten die meisten Angeklagten ein Geständnis im Sinne der Richter ab und wurden häufig zum Tode durch Verbrennen verurteilt. Eine vorherige Enthauptung, Erdrosselung oder das Umhängen eines Pulversäckchens um den Hals galt als "Akt der Gnade".

Entgegen landläufiger Meinung war die sog. "Wasserprobe" keine Foltermethode, sondern ihre Durchführung wurde häufig von den Angeklagten selber verlangt in der Hoffnung, so ihre Unschuld beweisen zu können. Die Wasserprobe galt als Gottesurteil. Wenn die Angeklagten nicht oben schwammen, sondern versanken, ging man von ihrer Unschuld aus, denn das war der natürliche Lauf der Dinge. 

   

Hexenverbrennung - ein öffentliches Ereignis

Dann wurden die Angeklagten, die an ein Seil gefesselt waren, wieder aus dem Wasser gezogen. Das Ziel des Gerichtsverfahrens war die Verurteilung, nicht die vorzeitige Tötung.

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Protest gegen Folter

Johann Weyer mit seiner 1563 erschienenen Schrift „De praestigiis daemonum“ (Von den Blendwerken der Dämonen), Anton Praetorius mit seinem „Gründlichen Bericht von Zauberey vnd Zauberern“ (1598), Johann Matthäus Meyfart mit dem Buch „Christliche Erinnerung, ...wie das abscheuwliche Laster der Hexerey mit Ernst außzurotten“ (um 1629) und Friedrich Spee mit der bekannten Streitschrift „Cautio criminalis“ (1631) kämpften neben anderen gegen Hexenprozesse und Folter.

Der deutsche Jurist Christian Thomasius beobachtete, dass die Angeklagten erst "gestanden", wenn sie die Qualen der Folter nicht mehr aushielten. Auf Grund des Buches „De crimine magiae“, welches er 1701 zu diesem Thema verfasste, gab König Friedrich Wilhelm den Befehl, die Prozesse zu beenden.

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Christliche Bedenken gegen die Folter

 

Anton Praetorius (1560-1613) protestierte aufgrund seiner Erfahrungen in einem Hexenprozess in Birstein/Hessen 1597 gegen die Folter und erreichte, dass der Hexenprozess beendet und die Frau freigelassen wurde. 

1598 veröffentlichte Praetorius zunächst unter einem Pseudonym (Johannes Scultetus) das Buch "Gründlicher Bericht Von Zauberey und Zauberern" gegen Hexenwahn und Folter. Die Auflagen 1602, 1613 und 1629 nannten seinen eigenen Namen als Autor.

(Texte aus: Anton Praetorius, Gründlicher Bericht von Zauberey und Zauberern, Heidelberg 1613)

In Gottes Wort findet man nichts von Folterung, peinlichem Verhör und Bekenntnis durch Gewalt und Schmerzen. Ihr seid im Unrecht. So befiehlt die Kaiserliche Halsgerichtsordnung nicht, dass jeder Richter die Folter brauchen sollte, sondern warnt vor zuviel Gebrauch. (S. 179)

An die Richter: Gedenkt Ihr, dass Ihr dem Urteil Gottes entrinnen werdet?

Ihr steht in des Kaisers Strafe, denn Ihr seid für mutwillige und öffentliche Totschläger und Blutrichter zu halten! Ihr seid des richterlichen Namens und Amtes nicht wert.

Ihr braucht viel Eisen und Schrauben, damit Ihr Finger, Arm und Schienenbein zerquetscht. Ihr zieht und brecht des Leibes Glieder auseinander! Ihr schneidet die Fersen, Ihr sperrt die Mäuler auf und gießt heiß Wasser und Öl hinein.

Gedenkt Ihr, dass Ihr dem Urteil Gottes entrinnen werdet? Gott wird euch in Kürze gewaltig strafen. Dann werdet Ihr selber zur Hölle fahren!

Auch harte Männer werden durch die Folter gezwungen 

Wie soll dann bei uns Christen die unchristliche Folterung an nur in Verdacht stehenden Weibern neben und nach zu langer und schwerer Inhaftierung vorgenommen, geschweige wiederholt werden? Denn die Erfahrung zeigt, dass auch fromme und harte Männer dadurch gezwungen werden, wider und über sich zu bekennen, was sie doch nie gedacht, und sich ohne irgendeine Schuld hinrichten lassen, damit sie nur der Folter entgehen. (S. 181)

Etliche nehmen sich selbst eher das Leben

Etliche fallen nach der Folter in Ohnmacht und sterben plötzlich, dass sie im Gefängnis tot gefunden werden. Etliche nehmen sich selbst eher das Leben, als sie die Folterung erwarten oder zum wiederholten Male gequält sein wollen. (S. 182)

Weil das peinliche Verhör so unchristlich ist

Weil das peinliche Verhör so unchristlich, so scharf, so gefährlich, so schädlich und dazu so betrügerisch und ungewiss, soll es von christlicher Obrigkeit [Regierung] nicht gebraucht noch gestattet werden, ungeachtet, ob sie im gemeinen oder kaiserlichen Recht enthalten ist. So hat es auch seinen Ursprung nicht von Rechtsgelehrten und Gesetzgebern, sondern von heidnischen Tyrannen: je mehr jemand foltert und foltern lässt, desto gleicher tut und wird er den Tyrannen. (S. 182)

Folter ist vieler und großer Lügen Mutter

Ihr macht es auch viel zu grob, unrecht, abergläubisch, schändlich und tyrannisch mit dem peinlichen Verhör. Ich sehe nicht gern, dass die Folter gebraucht wird:

1. Weil fromme Könige und Richter im ersten Volk Gottes sie nicht gebraucht haben.

2. Weil sie durch heidnische Tyrannen aufgekommen ist.

3. Weil sie vieler und großer Lügen Mutter ist.

4. Weil sie so oft die Menschen am Leib beschädigt.

Heute gefoltert - morgen tot

5. Weil auch endlich viele Leute ohne gebührliches Urteil und Recht vor jeglichem Schuldspruch dadurch im Gefängnis umkommen: Heute gefoltert - morgen tot. (S. 217)

Und wenn ich sagte, ihr oder einer von euch hätte mein Haus aufgebrochen und durch Diebstahl beraubt, wolltet ihr oder derjenige darauf auch selbst verhaftet und gefoltert werden? Wenn nicht- warum dann andere? (S. 225)

Ist die Folter anfänglich erfunden worden von denen, die Gottes Wort nicht kannten. (S. 231)

Endlich ist gewiss: Der Teufel fühlt die Schmerzen der Folter nicht und wird dadurch nicht vertrieben. (S. 235)

Ihr Herrn und Richter habt die armen Leute mit Folterung ...auf den Weg der Verzweiflung gebracht...: Deshalb seid ihr schuldig an ihrem Tod.

Ihr Herrn und Richter habt den armen Leuten mit Folterung und Drohungen zu hart zugesetzt, sie furchtsam und weich gemacht und also auf den Weg der Verzweiflung gebracht (sonderlich mit Reden wie diesen: Du hast keinen Anteil an Gott, du bist des Teufels, der Teufel hält dir die Zunge, gibt dir diese und jene Antwort ein usw.). Deshalb seid ihr schuldig an ihrem Tod. (S. 239)

Zum anderen ist das nicht ein geringes Stück grausamer Tyrannei und unsinnigen Blutvergießens, dass sie die Übeltäter unwiderruflich verdammen, ehe sie vor Gericht aus dem Gefängnis kommen, und nur dorthin stellen, dass in ihrer Gegenwart ihr Bekenntnis und das Urteil des Gerichts vorgelesen wird und fertig - ohne Berücksichtigung, ob der Schuldige sein Bekenntnis ablegt oder ganz oder halb widerruft, weil es mit der Folter erzwungen wurde, oder ob er sonst etwas einzuwenden habe zu seiner Verteidigung.

Wenn sie öffentlich bloßgestellt oder beschuldigt werden, sollte man ihnen auch öffentliche Verteidigung freistellen und zulassen. Und es sollte ihnen auch auferlegt, befohlen und abgefordert werden, es durch ihren eigenen oder den Mund eines anderen zu tun. (S. 255)

...ist alles Jagen, Fangen, Binden, Einschließen, Foltern, Brennen, Töten gar umsonst - und es wird kein Aufhören, Besserung, Fried und Ruhe erfolgen. (S. 300)

Könnt und wollt ihr es aber nicht tun, dass schuldige Hexen bekehrt und gebessert werden und noch unschuldige Leute gar keine Hexen würden, so lasst auch von ihnen ab mit eurem Foltern und Brennen, und denkt daran, dass ihr selbst schuldig seid an ihrer Blindheit und Verirrung. (S. 312)

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Protest gegen Haftbedingungen in den Gefängnissen in Hexenprozessen

Der reformierte Pfarrer Anton Praetorius (1560-1613) kritisierte die Zustände in den Gefängnissen und forderte grundlegende Reformen: „Wenn man Menschen in Gefängnisse einschließt, sollen es anständige Räumlichkeiten sein zur Verwahrung, aber nicht zur Peinigung.“

Wegen seines empathischen Eintretens für die Gefangenen wird er als Vorläufer von amnesty international bezeichnet.

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Viel zu große Härte in den Gefängnissen

(aus: Anton Praetorius, Von Zauberey und Zauberern. Gründlicher Bericht, Heidelberg 1613, S. 211)

Bei den Richtern und Amtsleuten und Bürgermeistern findet sich viel zu große Härte in den Gefängnissen. Das beklagt auch die Halsgerichtsordnung. Ich habe selbst solche Gefängnisse gesehen in Besuchung der Gefangenen. Wenn solche Gefangene in langer Einzelhaft ganz verzagt werden, macht sich der Teufel herzu, dass sie ganz verzweifelt werden und sich das Leben nehmen. Die Haare stehen mir zu Berge, wenn ich davon erzähle. Mein Herz will mir im Leibe zerspringen, wenn ich daran denke, dass ein Mensch den anderen um einiger Sünden willen so greulich plaget, so viel ängstet und dem Teufel zu Raube setzt und in solchen Jammer bringt.

In dicken, starken Thürmen, Pforten, Blochhäusern, Gewölben, Kellern, oder sonst tiefen Gruben sind gemeinlich die Gefängnussen.  In denselbigen sind entweder große, dicke Hölzer, zwei oder drei über einander, daß sie auf und nieder gehen an einem Pfahl oder Schrauben durch dieselben sind Löcher gemacht, daß Arme und Beine daran liegen können. Wenn nun Gefangene vorhanden, hebet oder schraubet man die Hölzer auf, die Gefangen müssen auf ein Klotz, Steine oder Erden niedersitzen, die Beine in die untern, die Arme in die obern Löcher legen. Dann lässet man die Hölzer wieder fest auf einander gehen, verschraubt, keilt und verschließet sie auf das härtest, daß die Gefangen weder Bein noch Arme nothdürftig gebrauchen oder regen können. Das heißt, im Stock liegen oder sitzen. 

Etliche haben große eisern oder hölzern Kreuz, daran sie die Gefangen mit dem Hals, Rücken, Arm und Beinen anfesseln, daß sie stets und immerhin entweder stehen, oder liegen, oder hangen müssen, nach Gelegenheit der Kreuze, daran sie geheftet sind. Etliche haben starke eiserne Stäbe, fünf, sechs oder sieben Viertheil an der Ellen lang, dran beiden Enden eisen Banden seynd, darin verschließen sie die Gefangenen an den Armen, hinter den Händen. Dann haben die Stäbe in der Mitte große Ketten in der Mauren angegossen, daß die Leute stäts in einem Läger bleiben müssen. Etliche machen ihnen noch dazu große, schwere Eisen an die Füße, daß sie die weder ausstrecken, noch an sich ziehen können. Etliche haben enge Löcher in den Mauren, darinn ein Mensch kaum sitzen, liegen oder stehen kann, darinn verschließen sie die Leute ohngebunden, mit eisern Thüren, daß sie sich nicht wenden oder umbkehren mögen.

Ettliche haben fünfzehn, zwanzig, dreißig Klaftern tiefe Gruben, wie Brunnen oder Keller aufs allerstärkest gemauret, oben im Gewölbe mit engen Löchern und starken Thüren Gerembsten, dardurch lassen sie die Gefangen, welche an ihren Leibern sonst nicht weiter gebunden, mit Stricken hinunter, und ziehen sie, wenn sie wöllen, also wieder heraus. Solche Gefängnuss habe ich selbst gesehen, in Besuchung der Gefangenen; gläube wohl, es seyn noch viel mehr und anderer Gattung, etliche noch greulicher, etliche auch gelinder und träglicher. Nach dem nun der Ort ist, sitzen etliche gefangen in großer Kälte, daß ihnen auch die Füß erfrieren und abfrieren, und sie hernach, wenn sie loskämen, ihr Lebtage Krüppel seyn müssen. Etliche liegen in stäter Finsternuß, daß sie der Sonnen Glanz nimmer sehen, wissen nicht, ob's Tag oder Nacht ist. Sie alle sind ihrer Gliedmaßen wenig oder gar nicht mächtig, haben immerwährende Unruhe, liegen in ihrem eigenen Mist und Gestank, viel unfläthiger und elender, denn das Viehe, werden übel gespeiset, können nicht ruhig schlafen, haben viel Bekümmernuß, schwere Gedanken, böse Träume, Schrecken und Anfechtung. Und weil sie Hände und Füße nicht zusammen bringen und wo nöthig hinlenken können, werden sie von Läusen und Mäusen, Steinhunden und Mardern übel geplaget, gebissen und gefressen. Werden über das noch täglich mit Schimpf, Spott und Dräuung vom Stöcker und Henker gequälet und schwermüthig gemacht. 

Summa, wie man sagt: Alle Gefangen arm! Und weil solches alles mit den armen Gefangenen bisweilen über die Maßen lang währet, zwei, drei, vier, fünf Monat, Jahr und Tag, ja etliche Jahr: werden solche Leute, ob sie wohl änfänglich gutes Muths, vernünftig, geduldig und stark gewesen, doch in die Länge schwach, kleinmüthig, verdrossen, ungeduldig, und wo nicht ganz, doch halb thöricht, mißtröstig und verzagt. - O ihr Richter, was macht ihr doch? Was gedenkt ihr? Meinet ihr nicht, daß ihr schuldig seyd an dem schrecklichen Tod eurer Gefangenen?"

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